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An diesem Wintermorgen ist es wunderbar sonnig, aber mit Temperaturen von minus drei Grad klirrend kalt am Anleger Teufelsbrück an der Elbe. Lars Möller und Till Warwas haben ihre hölzernen Staffeleien direkt nebeneinander oberhalb des Elbufers errichtet. Nun blicken sie auf die im Sonnenlicht magisch glitzernde Elbe. Möwen ziehen vorbei. Die Sicht ist leicht diesig. In der Ferne zeichnen sich Hafenkräne ab. Tobias Duwe hat seine Staffelei gleich direkt zwischen die Steine am Strand gestellt. Seine Leinwand füllt sich schon nach wenigen Minuten mit großzügigen Pinselstrichen. Bei dem Begriff Freilichtmalerei – auch Pleinairmalerei genannt – hat man blühende Gärten in der Provence vor Augen. Denkt an Claude Monet oder Gustave Courbet. An den Zauber des natürlichen Lichts in freier Natur, das schon Leonardo da Vinci (1452–1519) zu Zeiten der Renaissance fasziniert– und ihn zu seinem „Traktat über die natürliche Malerei“ inspiriert hat. Hier ist es etwas anders: kälter, rauer.
Bis April will jeder der drei Maler rund 35 Bilder anfertigen. Diese sollen dann gemeinsam in der Schau „Elbwärts. Neue Bilder von Tobias Duwe, Lars Möller und Till Warwas“ im Jenisch Haus zu sehen sein. Die Künstler zählen zu den sogenannten „Norddeutschen Realisten“, die sich der Freilichtmalerei verschrieben haben. Anlass war für alle drei die Begegnung mit dem Freilichtmaler Nikolaus Störtenbecker (1940–2022), der das erste Treffen 1989 als Plein-Air-Symposium initiiert hat. Einst hatte er das Stipendium der Deutschen Akademie Villa Massimo in Rom erhalten und dort begonnen, den Blick durchs Fenster zu malen. Dabei entdeckte er seine Liebe zur Malerei mit natürlichem Licht. Seit 1995 hat es sich die Maler-Vereinigung zur Aufgabe gemacht, die Landschaft Schleswig-Holsteins, die Insel Helgoland und Ansichten der Städte Hamburg, Kiel, Lübeck, Schleswig und Rendsburg mit dem Pinsel einzufangen. Nicht immer geht es um Natur, auch Industrieanlagen wie der Hamburger Hafen finden sich darunter.
Gerade fährt ein riesiges Containerschiff vorbei und löst nicht nur Freude aus. „Die bewegen sich ja“, stöhnt Till Warwas. Er steckt noch mitten in der Vorbereitung und bringt gerade kleine Punkte aus Farbtuben auf seine Palette. Am Rand natürlich, damit er in der Mitte mischen kann. Da hat ein jeder seine eigene Ordnung und natürlich seine bevorzugten Farben. Bei Lars Möller sind es eher Camouflage-Töne. Aufgetragen wird die Farbe dann mithilfe eines Pinsels auf einer Imprimitur, die Möller und Warwas eher in Grau und Braun halten.
Till Warwas malt nicht bei jedem Wetter. „Wenn Schnee fällt oder so ein Wetter ist wie heute, dann geh ich raus. Das ist schon wirklich meine Show“, sagt er. „Das Licht hat dann so was Unwirkliches, Zauberhaftes, das ist schon besonders.“ Allerdings nerven ihn die vielen Klamotten, die er am Körper übereinanderstapeln muss, um auch mal zwei Stunden unbewegt vor der Staffelei auszuharren. Mit Handschuhen malen mag er auch nicht so gerne. Jetzt wischt er mit einem Tuch über den gemalten blauen Himmel, der doch zu feucht geworden ist. Das entstehende Bild fängt den Elbstrand sehr detailgetreu und naturalistisch ein. Warwas malt am liebsten Graslandschaften in der Umgebung seines Wohnortes Bremen.
Lars Möller zieht mit feiner Linie Kräne auf seine Leinwand. „Das Tückische ist, dass wir gegen die Zeit arbeiten, weil das Wasser ja steigt“, sagt er. „So, wie es jetzt ist, sieht es toll aus, weil wir auch ein Halbgegenlicht haben. Nachher wird das alles angestrahlt und bunt.“ Und damit unbrauchbar. Möller bezeichnet sich eher als „Schönwettermaler“. Allerdings malt er auch gerne großformatig, und das geht nur in seinem Atelier. Die Landschaft am Stadtrand ist sein bevorzugtes Objekt. „Da gibt es ein kleines Moorgebiet mit Bächen und Tümpeln und kahlen Bäumen. Da ist alles ein bisschen wilder“, so Möller. Freilichtmalerei habe immer auch eine sportliche Note. „Man hat eine schöne Szenerie, aber noch bevor man aufgebaut und angefangen hat, ist alles schon lange vorbei. Das Licht ist weg, oder es fängt an zu regnen“, sagt er. Den Ölfarben macht der Regen nichts aus, die stoßen das Wasser ab. Aber neue Farbe lässt sich dann leider nicht mehr auf der Leinwand anbringen.
Tobias Duwe steht noch immer in Wassernähe und malt mit expressiverem Strich. „Der ist in den Farbtopf gefallen, heute morgen“, sagt Lars Möller lachend. „Herr Möller hat eine enge Beziehung zu einem farbigen Grau“, konstatiert Till Warwas. „Wenn man sich in einer Grauskala bewegt, gibt es schnell Herausforderungen“, so der Maler. „Farben können ja schnell unangenehm wirken, vor allem Grün ist problematisch. Die Farbe harmoniert schwer mit anderen Farben.“ Man merkt, die drei kennen sich gut und teilen einen unverstellten Humor.
Tobias Duwe beginnt auf der weißen Leinwand und ist schon fast fertig mit seiner Elb-Ansicht samt Containerriese. „Ich habe viel Farbe draufgehauen, aber das Schiff kam schnell vor. Jetzt schwebt es etwas über dem Horizont., vielleicht lasse ich es aber so“, meint Duwe. Er hat vorher auf den Tidenkalender geschaut und weiß, wann das Wasser steigt. Duwe ist stark inspiriert von den Impressionisten. „Ich gehe eigentlich bei jedem Wetter raus. Ich male auch viel in Frankreich . Dort fühlt es sich wirklich anders an. Es interessiert niemanden, wenn man mitten in Paris auf dem Pont Neuf steht und malt.“ Das Wichtigste sei, dem eigenen Auge zu vertrauen. „Wenn das Bild gelungen ist, drückt das Bild die Wirklichkeit aus, ohne dasselbe zu sein“, sagt Duwe. Das Geheimnis stecke in der Textur. Die Luft, die Atmosphäre, aber auch die Festigkeit, die in dem Nassen sitzt, regen ihn an. „Ich fühle mich ganz besonders wohl am Meer, da geht einem die Arbeit leicht von der Hand. Weil immer etwas passiert, sich immer alles ändert.“ Jetzt überlegt er, das schwebende Schiff auf seinem Bild vielleicht ein wenig zur Seite zu schieben.
Der in Bremen lebende Till Warwas studierte Malerei bei Klaus Fußmann an der Hochschule der Künste Berlin (heute UdK Berlin) und wurde sein Meisterschüler. Fußmann war einer der wenigen Maler, die in den 1960er- und 1970er-Jahren Erfolg mit gegenständlicher Malerei hatten. Lars Möller und Tobias Duwe studierten Malerei und Design im Fachbereich Gestaltung an der Fachhochschule Hamburg. Für Möller die richtige Wahl: „Im Lerchenfeld war ja gegenständliche Malerei total verpönt. An der Armgartstraße war es deutlich angewandter, das hat für mich besser gepasst“ Möller hat heute ein großes Atelier in der Nähe des Hamburger Flughafens. Duwe lebt in Großensee und arbeitet in seinem Atelier in Grande bei Hamburg. Das Trio ist aber auch ausgesprochen reiselustig. Von Dänemark über Polen bis nach Finnland führten bereits gemeinsame Reisen. In diesem Jahr soll es nochmals in die Bretagne gehen.
Mittlerweile ist es früher Nachmittag. Die Kälte ist schneidend, wenn man sich nicht bewegt. Vor allem die Finger sind kaum noch zu spüren. Lange können die Maler keinen Pinsel mehr halten. Aber zwei Bilder sind eine sehr gute Ausbeute für diesen schönen, kalten Tag.
Eine Reportage von Annette Stiekele

Die Norddeutschen Realisten Tobias Duwe, Lars Möller und Till Warwas haben sich der Freilichtmalerei verschieben. Ihre Leinwand- Bilder sind Ausdruck…
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Das Jenisch Haus zeigt mit „Elbwärts" die Norddeutschen Realisten Duwe, Möller und Warwas
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